Umwandlungsbericht 2019
Betrachtet man den aktuellen Jahresbericht 2019 zur Anwendung der Umwandlungsverordnung, der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen am 09. Dezember veröffentlicht wurde[1], fällt auf den ersten Blick ins Auge, dass das Umwandlungsgeschehen in Berlin sich auf einem beunruhigend hohen Level eingepegelt hat. 2018 und 2019 waren es jeweils um 12.700 Wohnungen, nachdem in den drei Jahren davor die Zahlen zwischen ca. 13.000 und 17.000 lagen.
Der Anteil der sozialen Erhaltungsgebiete am Berliner Umwandlungsgeschehen schwankt seit Jahren um die 50% trotz einer erheblichen Ausweitung der Gebietskulisse.[2] Was doppelt überrascht, weil nur ca. 20% der Wohnungen Berlins in sozialen Erhaltungsgebieten liegen[3] und für die Milieuschutzgebiete es seit 2015 eine Umwandlungsverbotsverordnung gibt, die die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt. Die Umwandlung ist nur in wenigen Ausnahmefällen genehmigungsfähig.
Dennoch wurden seit 2015 Genehmigungen für die Umwandlung von 23.275 Mietwohnungen in den Berliner Milieuschutzgebieten erteilt.[4] Die Ausnahmeregelung Nr. 6 im § 172 Absatz 4 Satz 3 hat sich als Scheunentor zur Umgehung des Umwandlungsverbots erwiesen. Danach wird die Genehmigung zur Umwandlung erteilt, wenn sich die Eigentümer verpflichtet, sofern er eine Wohnung verkaufen will, 7 Jahre nur an den/die Mieter/in der Wohnung zu verkaufen. Nahezu 99% der in den Milieuschutzgebieten erteilten Umwandlungsgenehmigungen basieren auf einer solchen Selbstverpflichtung der Immobilieneigner. Von 22.517 mit dieser Verpflichtung genehmigten Umwandlungen wurden lediglich 57 Wohnungen an Mieter verkauft. Das sind 0,25 %, wobei das nicht einmal zwingend Mieter zum Zeitpunkt der Umwandlung waren. – Aber das ist eine andere Geschichte.[5] –
Der Ausnahmetatbestand Nr. 6 im § 172 Absatz 4 Satz 3 gehört abgeschafft. Das vorgebliche Ziel des Gesetzgebers, nicht zu verhindern, dass Mieter*innen ihre Wohnung selbst kaufen, wird vollkommen verfehlt.
Die Anzahl der vollzogenen Umwandlungen in den Jahren 2015 bis 2019 in den heutigen Milieuschutzgebieten beträgt 35.233 Wohnungen.[6] In den jüngeren Milieuschutzgebieten trat die Antragspflicht erst mit Festsetzung ein. Betrachtet man den Zeitraum von 2013 bis 2019 dann wurden in der Milieuschutzgebietskulisse (Stand Ende 2019) 45.126 Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Für ganz Berlin betrug die Umwandlungszahl für diese sieben Jahre 92.316 Wohnungen.[7]
Die Anzahl der Umwandlungen, ihre Dynamik und ihre Auswirkung für die Wohngebiete hängen von der Größe, der Lage im Stadtgebiet, der Gebäudestruktur (Baualtersklassen) und der Eigentümerstruktur ab. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Wohngebiete in der Innenstadt mit einem großen Anteil an Gebäuden der Baualtersklassen vor 1919 und 1919 bis 1948 und einem großen Anteil von Privatpersonen oder Kapitalgesellschaften (diverser Rechtsformen) als Gebäudeeigentümer vom Umwandlungsgeschehen am stärksten betroffen sind.[8]
Milieuschutzgebiete vor Umwandlungswelle
Im Jahre 2019 stieg die Anzahl der beantragten Wohnungsumwandlungen in den Berliner Milieuschutzgebieten auf 5391 (von 4393 in 2018) auf einen neuen Höchststand. Diese Tendenz setzte sich im 1.Halbjahr 2020 fort. Mit 5279 Anträge in nur 6 Monaten zeichnet sich eine Anstieg um 100% (!) gegenüber dem Vorjahr ab.[9] Da die Anträge durchweg mit der Ausnahmeregelung, Selbstverpflichtung 7 Jahre nur an Mieter zu verkaufen, begründet sind, werden sie bei Vollständigkeit der Unterlagen genehmigt. Das bedeutet, dass die Milieuschutzgebiete vor einer großen Umwandlungswelle stehen, sofern ein wesentlicher Teil der Genehmigungen umgesetzt wird.
Die Erklärungen für diesen starken Anstieg der Umwandlungsanträge, mit der sich die Verfasser des Umwandlungsberichts versuchen, klingen nicht sehr überzeugend. Sie sprechen davon, dass „angekündigte und vollzogene rechtliche Änderungen eine wesentliche Rolle spielen. Hierzu zählen insbesondere der Mietendeckel und die auf Bundesebene diskutierte generelle Einschränkung von Umwandlungen auf angespannten Wohnungsmärkten, ebenso die verschärfte Mietpreisbremse und die Verlängerung der Umwandlungsverordnung.“[11] Dann müsste diese Entwicklung die ganze Stadt erfassen und in allen Milieuschutzgebieten zu einem solchen Anstieg führen. Wie die Verfasser selbst feststellen, ist dem nicht so. Nur in bestimmten Milieuschutzgebieten ist die Zunahme der Anträge derart überdurchschnittlich. Das sind überwiegend ältere Milieuschutzgebiete in denen die Umwandlung in Eigentumswohnungen in den letzten 20 Jahre ohnehin schon erhebliche Ausmaße angenommen hatte und in denen bestimmte Gebäudetypen (Gründerzeithäuser) und damit verbunden auch eine bestimmte Eigentümerschaft in erheblicher Größe gegeben sind.
Pankow – Hotspot der Umwandlungswelle
Von den 5391 Anträgen auf Umwandlung im Jahr 2019 in den Berliner Milieuschutzgebieten entfielen 1260 auf die Pankower Gebiete, davon 852 auf Prenzlauer Berg.
Im ersten Halbjahr 2020 gab es in den Pankower Milieuschutzgebieten 1775 Anträge, davon entfielen 1560 auf die Prenzlauer Berger Gebiete. Das sind fast doppelt so viele im ganzen Jahr 2019. [12]
Bei anhaltender Tendenz im 2. Halbjahr 2020 könnte das auf eine Steigerung von nahe 200% hinauslaufen. Die Gebiete Helmholtzplatz, Kollwitzplatz, Winsstraße und Arnimplatz weisen für 2019/20 hohe Umwandlungszahlen auf. Aber auch in den anderen Prenzlauer Berger Gebieten gab es in diesen 18 Monaten Umwandlungen von mehreren Häusern. Und betrachtet man die im Jahre 2020 erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigungen, muss man davon ausgehen, dass weitere Umwandlungsanträge folgen werden. Angesichts der Tatsache, dass nach Aussage des Berichts bereits im Jahre 2011 der Anteil an Eigentumswohnungen in den Prenzlauer Berger Milieuschutzgebieten meist um die 30% lag,[13] stellt sich die Frage, bei welchen Werten wir angesichts der in den letzten 10 Jahren vollzogenen Umwandlungen heute angekommen sind. Der Zensus 2021 wird es uns vermutlich verraten.
Folgen – steigende Mieten & Eigenbedarfskündigungen
Der größte Teil der umgewandelten Wohnungen wird vermietet. Aber der Handel mit den teuren Wohnungen und die damit verbundenen Refinanzierungslasten der Käufer*innen erhöhen den Verdrängungsdruck auf die Mieter*innen, insbesondere auf die mit alten Mietverträgen. Höhere Neuvermietungsmieten und Verkäufe an potenzielle Selbstnutzer*innen sind die logischen wirtschaftlichen Folgen von Umwandlung und Verkauf zu solch überhöhten Spekulationspreisen. Nicht die heutigen Mieter*innen sind die Adressat*innen der Umwandler, die die 7-Jahresverpflichtung unterzeichnen, sondern die gut betuchten Käufer*innen, die in 12 Jahren die Eigenbedarfskündigung aussprechen werden, sei es für sich selbst, die Kinder oder Eltern, Nichten oder Neffen, Au-pair-Beschäftigte oder eigene Arbeitszimmer oder Zweitwohnsitz, der Phantasie werden durch die Rechtsprechung kaum Grenzen gesetzt. Hinzu kommen auch zahlungskräftige „Neumieter*innen“, die bereit sind, 2 Jahre als Mieter auf dem Erwerb ihrer Wohnung zu warten, manchmal mit einer möblierten Zeitvermietung zu 35 €/m2 als Überbrückung.[14]
Kein Ende in Sicht
Dass trotz der bereits hohen Anzahl an umgewandelten Wohnungen das Umwandlungshoch anhält, ist offenbar der großen Nachfrage und den hohen Kaufpreisen geschuldet. Die hohe Nachfrage resultiert nicht überwiegend aus Kaufinteresse von Wohnungsuchenden, sondern auf dem Zufluss von anlagesuchendem Kapital. Die anhaltenden extrem niedrigen Zinsen machen weltweit Berliner Wohnimmobilien zum sicheren Wunschdepot für Geldvermögen jeder Herkunft. Angesichts der in der Corona-Krise weltweit vergrößerten Geldmengen ohne aktuelle realwirtschaftliche Grundlagen und der geringen Inflation ist ein Abschwächen dieses Zustroms nicht in Sicht.
Zum anderen führen die sehr hohen Neuvermietungsmieten aber auch dazu, dass für Haushalte mit mittleren Einkommen, die über ausreichend Eigenkapital verfügen, angesichts der niedrigen Hypothekenzinsen der Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung für die eigene zukünftige Wohnraumversorgung eine letztendlich wirtschaftliche Option wird. Das erhöht den Verdrängungsdruck auf die heutigen Mieter über zukünftig drohende Eigenbedarfskündigungen zusätzlich.
Ein richtig wirksames Umwandlungsverbot tut Not, für die Milieuschutzgebiete und für ganz Berlin. JETZT!
[1] Jahresbericht 2019, Download SenSW: https://bit.ly/2Mwnsab
[2] Tabellen 3.9, im Jahresbericht 2019, S. 105
[3] Andererseits liegen die für Umwandlungen prädestinierten Wohnhäuser der Gründerzeit und der 20er und 30er Jahre in den gentrifizierten Innenstadtvierteln, die auch den Schwerpunkt der Erhaltungsgebietskulisse bilden. Siehe Jahresbericht 2019, Tabelle 3.4., Seite 86.
[4] Jahresbericht 2019. Tabelle 2.7, S.39
[5] Siehe https://www.michail-nelken.de/index.php/2020/11/29/umwandlungsverbot-in-milieuschutzgebieten/
[6] siehe Jahresbericht 2019, Tab 3.4; S. 36 und Abb. 3.17, S. 79
[7] ebenda Tabelle 3.7, S. 98
[8] ebenda Tabelle .3.3. S.73, Tabelle 3.4, S.86; vgl. auch die Schriftlichen Anfragen der MdA Gaby Gottwald (Die Linke), Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen, Drucksache 18/24196 vom 17.07.2020 und Katrin Schmidberger (Grüne), Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen: Zahlen für 2018, 2019 und 1. Halbjahr 2020, Drucksache 18/24216 vom 14.07.2020
[9] Siehe Jahresbericht Seite S. 15 ff
[10] Ein Teil der Anträge ist noch in der Bearbeitung. Genehmigungsquote nahe 100%.
[11] Siehe Jahresbericht 2019, S. 109
[12] ebenda S. 15 – 24
[13] ebenda Tabelle 2.4, S. 13
[14] In den Berliner Bezirksämtern setzt sich eine Praxis durch, wonach der Verkauf auch an Mieter*innen genehmigt wird, die nach der Umwandlung die Wohnung angemietet haben. Um hier Missbrauch auszuschließen, ist eine ausgebildete Gebietsbindung Voraussetzung. Diese wird allgemein angenommen, wenn die Mieter*innen 2 Jahre in der Wohnung tatsächlich gewohnt haben. Eine entsprechende Ergänzung der Arbeitshilfen hat die Senatsverwaltung im Juli 2020 an die Bezirksämter übermittelt. Siehe hier: https://www.michail-nelken.de/index.php/2020/11/29/umwandlungsverbot-in-milieuschutzgebieten/